Nirgendwo in der Welt sind die Optimisten und Pessimisten so schnell bei der Hand mit ihren Urteilen wie im Sport. Für die Optimisten ist das Glas immer noch halb voll, für die Pessimisten bereits halb leer. So war es auch am Samstag in der Rönnehalle. Da gab es die absoluten Pessimisten, für die keinerlei Besserung in Sicht war und der SC Greven 09 mit viel Glück 26:24 gewonnen hatte. Und dann die Optimisten, die schwärmten von der ersten Halbzeit, als die Mannschaft den HSC 2000 Magdeburg an die Wand spielte. Die Diskussionen werden wohl bis in die späten Abendstunden gedauert haben. Und manchmal haben sogar beide Recht. Die Optimisten, weil 09 eine in dieser Saison blendende erste Halbzeit zeigte, praktisch in der Deckung Beton anrührte und vor allem im Mittelblock mit Nina Stumvoll und Bente Pries eine hervorragende Leistung bot. Eine Sieben-Tore-Führung: Wann hat es die jemals in der Grevener Sporthalle gegeben? Das zweite Tor gelang den Gästen erst nach 15 Minuten. Dass so eine Leistung nicht über 60 Minuten abzurufen war, sollten auch die Pessimisten einsehen.
Aber auch im Angriff gab es für die Optimisten eine Menge sehenswerter Aktionen. Viele Zuschauer werden sich über die fünf Tore der ansonsten sehr unscheinbar spielenden Ina Herbst gefreut haben. In früheren Spielen im Abschluss noch sehr unsicher, nutzte sie dieses Mal jede Chance zum Tor. Und dann erst Ania Jaszczuk. 176 Zentimeter reines Dynamit, jede Nervenbahn eine Lunte, die brannte, sobald sie den Ball hatte. Und explodierte, egal, ob auf links oder rechts. Dass auch mal ein Blindgänger dabei übers Tor ging - die Optimisten werden ihr verzeihen. Die Pessimisten müssen wenigstens anerkennen, dass das eine Spielerin ist, die dahin geht, wo es weh tut. An diesem Knallfrosch der Emotionen werden die Zuschauer noch viel Spaß haben - wenn sie denn richtig angeleitet wird. Und Franziska Heinz scheint ein Garant dafür zu sein, auch solche Gefühlsgeysire in den Griff zu bekommen.
Hektik hier - Lethargie her. Was die einen imponiert, nämlich ein ruhiges Aufbauspiel, ist für die Pessimisten nur ein Schlafwagenhandball. Dass man als Spielerin nicht immer die richtige Balance findet und von der Trainerbank auch nicht richtig eingreifen kann, um das richtige Maß zu finden, können wohl nur die beantworten, die schon mal Handball gespielt haben.
Ob das Glas halb voll oder halb leer ist entscheidet jeder für sich. Die bessere Alternative entwickeln da die Ökonomen. Für sie ist das Glas einfach zu groß. Wenn es auf die halbe Menge reduziert wird, ist das Glas immer ganz voll. Also: die Erwartungen an ein supertolles Spiel ein wenig herunterschrauben, sich an schöne Tore und letztendlich auch an einem glücklichen Sieg erfreuen können. Dann wäre selbst ich doch gerne mal ein Ökonom.
Quelle: Westfälische Nachrichten
Halb voll oder halb leer?
01.03.11