Handballregeln haben es in sich. Mancher Laie, der von seinem Freund mit zu diesem Spiel geschleppt wurde, reibt sich verwundert die Augen, wenn er die Zeichen der Schiedsrichter sieht, aber diese nicht zu deuten weiß.
Hebt beispielsweise ein Schiedsrichter die Hand, heißt das nicht, dass er in seinem Hauptberuf Schaffner ist und der Zug jetzt weiterfahren kann. Es ist lediglich ein Zeichen, dass ihn das Angriffsspiel der Mannschaft gerade langweilt. Und da Handball attraktiv sein soll, muss Langeweile bestraft werden. Die erhobene Hand des Schiedsrichters heißt also, die angreifende Mannschaft spielt so passiv, dass es weder der abwehrenden Mannschaft, dem Schiedsrichter und schon gar nicht den Zuschauern zuzumuten ist, einer solchen Spielweise zuzuschauen.
Manchmal fällt den Angreifern halt nichts mehr ein, um die gegnerische Abwehr zu überwinden. Eine solche Einfallslosigkeit muss bestraft werden - der Gegner bekommt den Ball und darf seinerseits versuchen, ein Tor zu erzielen.
Vielfach ist das lange Ballhalten ein taktisches Mittel der angreifenden Mannschaft, bei einem knappen Spielstand den Vorsprung über die Zeit zu retten. Gleiches gilt vor allem in Situationen, in denen sich eine Mannschaft in Unterzahl befindet, weil gerade ein "Sündenbock" eine Zwei-Minutenstrafe abbrummt. Dieses spitzbübischen Verhaltensweisen sind vielen Schiedsrichtern - beileibe aber leider nicht allen - bekannt.
Es gibt richtige Spezialisten, die die Uhr herunterspielen können. Da läuft der Angreifer nach einem Freiwurf absichtlich zu einem anderen Ort, als das Foul begangen wurde. Dann muss der Schiedsrichter ihn zurückpfeifen und ihm andeuten, wo der Freiwurf auszuführen ist. Schon sind wieder ein paar Sekunden gewonnen. Der ehemalige Nationaltorhüter Rudi Rauer war so ein "Schurke", der einen besonderen "Trick" drauf hatte. Wenn er einen Gegentreffer kassierte und seine Mannschaft Zeit schinden musste, dann stauchte er erst einmal seine Hintermannschaft zusammen, rannte seinen Mitspielern bis zur Mittellinie hinterher und ließ den Ball solange im Tor liegen, bis die Schiedsrichter ihn aufforderten, den Ball endlich in Richtung Mittellinie zu werfen. Der Keeper trat aber bei seiner Schauspieleinlage zumeist so überzeugend auf, dass die Schiedsrichter schon fast Mitleid mit den Feldspielern hatten. Rudi Rauer hatte damit sein Ziel erreicht. Viele wertvolle Sekunden waren vergangen.
Nun liegt es in der Hand der Pfeifenmänner, wie lange sie den Arm heben und dann das passive Spiel tatsächlich pfeifen. Denn die hochgehobene Hand ist nur ein Vorwarnzeichen. Erst der Pfiff bringt die abwehrende Mannschaft in Ballbesitz. Manchmal beweisen dann die Referees, dass sie sich in Muckibuden fithalten und quasi gefühlte Stunden die Hand heben, ohne zu pfeifen. Andere wiederum geben der angreifenden Mannschaft nur noch zwei bis drei Pässe Zeit, bevor sie den müden Angriffshandball endlich mit einem Pfiff unterbinden und der Zug jetzt in die andere Richtung fährt. Der Schiedsrichter kann im Spiel also so manche Weiche stellen, damit das Spiel in die "richtige", auf jeden Fall aber in die andere Richtung läuft.
Quelle: Westfälische Nachrichten
Pfiff gegen die Langeweile
05.02.11