09.09.15
"Wahnsinn", staunt Andrea Lehmkuhl, als sie einigen ihrer zehn- bis zwölfjährigen Sportabzeichen-Anwärter beim Weitwurf einen Wert von über 30 Metern aufschreibt. "Es ist mir ein Rätsel, wie man so weit werfen kann." Die Jungs grinsen zufrieden. Denn wenn sie etwas besonders gut können, dann ist es genau das. Es handelt sich um die Spieler der beiden D-Jugend-Teams der Handballfreunde Reckenfeld/Greven 05, die zwei Trainingseinheiten beim SC Reckenfeld auf dem Sportgelände in der Ortsmitte absolvieren - um ihre Schnelligkeit, Ausdauer, Koordination und Kraft unter Beweis zu stellen.
Dass die jüngeren HF-Jahrgänge ihr Sportabzeichen beim SCR ablegen, hat schon fast Tradition. "Gruppen können bei uns individuelle Termine zum Ablegen der trockenen Disziplinen vereinbaren", erklärt Lehmkuhl. "Wir freuen uns riesig, dass die Handballfreunde das Angebot in diesem Jahr wieder wahrnehmen." Und auch darüber, dass sie ihre Schwimmbescheinigungen bereits zum ersten Termin mitbringen. "Wenn es beim Sportabzeichen an etwas scheitert, dann meistens am Schwimmen", ist die Erfahrung der Sportabzeichen-Abnehmerin. HF-Trainer Stefan Heming jedenfalls hat alles im Griff: "Wir waren im Vorfeld schon im Wasser."
Während die Kinder zum Aufwärmen eine Runde um den Fußballplatz laufen, erledigt Lehmkuhl zusammen mit Kerstin Börger, die ebenfalls die Lizenz zum Stoppen und Messen besitzt, erstmal den nötigen Papierkram. Dann geht es auf die Langdistanz, 800 Meter sind in einer vorgegebenen Zeit zu absolvieren. 5.05 Minuten reichen bei den Zehn- bis Elfjährigen für Bronze. Wer Gold schaffen möchte, darf 3.35 Minuten nicht überschreiten. In der nächsthöheren Altersklasse müssen die Sportabzeichen-Anwärter noch ein bisschen schneller sein. Manche verpassen den begehrten Status knapp, andere toppen ihre Bestzeit aus dem Vorjahr. Freud und Leid liegen dicht beieinander. Heming begrüßt den individuellen Wettkampf abseits des gewohnten Spielfeldes: "Es ist toll für die Jungs, wenn sie sehen, dass sie sich verbessert haben. Wenn sie nicht schaffen, was sie sich vorgenommen haben, kann das aber auch ein enormer Anreiz für den zweiten Versuch sein."
Auf dem angrenzenden Ascheplatz fliegen die Bälle anschließend fast schon im Sekundentakt. Lehmkuhl, die sich am Ende des komplett ausgerollten Maßbandes platziert hat, muss ein ums andere Mal den Kopf einziehen. Die jungen 05er lassen die kleinen Kugeln mit einer solchen Kraft durch die Luft schnellen, dass sie zum Teil einige Meter hinter dem abgesteckten Bereich ankommen.
Einer der Handballer hat seinen kleinen Bruder mit auf den Sportplatz gebracht. Frederik ist erst fünf und damit eigentlich zu jung, um die Prüfungen abzulegen. "Du darfst aber gerne schon mal fürs nächste Jahr üben", bietet Lehmkuhl an und staunt nicht schlecht. "Bei den guten Werten, die er erreicht hat, wird Frederik das Reckenfelder Sportabzeichen auf jeden Fall verliehen bekommen." Dieses hat der SCR in diesem Sommer ins Leben gerufen, um bei der Sportabzeichen-Verleihung allen sportlich bemühten Kindern eine Anerkennung zukommen zu lassen. Auch denen, die vielleicht nicht alle nötigen Werte erreicht haben. "Ich fand es früher bei den Bundesjugendspielen so frustrierend, wie das mit den Urkunden gelaufen ist", betont Lehmkuhl. "Wer nicht alle Disziplinen geschafft hat, ist leer ausgegangen. Mit dem Reckenfelder Sportabzeichen wollen wir die Motivation der Kinder aufrecht erhalten. Auch die, die die Werte nicht ganz erreichen, bringen beachtliche Leistungen!"
Es geht wieder zurück auf die Laufbahn. Diesmal ist nicht Ausdauer gefragt, sondern Schnelligkeit. Immer zu zweit begeben sich die Nachwuchshandballer auf die 50-Meter-Strecke. Heming gibt das Startsignal, Lehmkuhl und Börger stehen mit den Stoppuhren an der Ziellinie und feuern die Jungs kräftig an.
Die 05er sind an diesem Abend extrem fleißig. Es fehlt nur ein Bereich, der am kommenden Donnerstag noch abgedeckt werden muss: Koordination. "Weil beim ersten Termin nicht alle Spieler da waren, könnte es sein, dass wir spontan noch einen dritten hinterher schieben", zeigt sich Lehmkuhl flexibel. Heming freut sich über so viel Entgegenkommen: "Es ist toll, dass wir zu unseren Trainingszeiten auf den Sportplatz kommen können."
Die Handballer sind willkommen, auch wenn sie sich in diesem Sommer selbstständig gemacht und von ihren einstigen Stammvereinen gelöst haben. Mit dem Sportclub aus dem Ortsteil verbindet die 05er noch immer viel. Deshalb wurde auch ein Kooperationsvertrag geschlossen, der es SCR- und HF-Mitgliedern ermöglicht, die Angebote beider Vereine zu nutzen. So wie die D-Jungs der Handballfreunde ihr Sportabzeichen in Reckenfeld machen. Lehmkuhl: "Das ist gelebte Kooperation."
von Heidrun Riese
Quelle: Westfälische Nachrichten