Die Reform der Spielklassen und ihre Folgen für die Handballfreunde und den SC Falke
Weniger Bürokratie, schlankere Strukturen, mehr Verantwortung für die Handballkreise. Das versprechen sich die Verantwortlichen des Handballverbandes Westfalen von der neuen Ligenstruktur, die ab dem kommenden Sommer greifen soll. Anstelle von drei (Verband, Bezirk und Kreis) sollen sich künftig nur noch zwei Ebenen um die Organisation des Spielbetriebs kümmern. Der Bezirk entfällt. Dass dabei auch die beliebten Bezirksklassen wegfallen würden, war bei den Vereinen auf wenig Gegenliebe gestoßen und hatte die Reformer Gegenwind spüren lassen. Der scheint sich allmählich zu legen. Dank zusätzlicher Aufklärungsarbeit und mit Hilfe von Begrifflichkeiten, die auf Bewährtes setzen.
Linda Steltenkamp ist Trainerin der Bezirksligahandballerinnen des SC Falke Saerbeck. Ihre Mannschaft ist in der kommenden Saison unmittelbar von der Reform betroffen. "So richtig wissen wir nicht, wie es aussehen soll", tappt die Trainerin noch etwas im Dunkeln, was die Klassen-Zugehörigkeit ihrer Mannschaft angeht. Der SC Falke könnte in der kommenden Saison zur Kreisoberliga gehören. So sollte zunächst die neue geschaffene Liga benannt werden, die in die Zuständigkeit des Handballkreises Euregio-Münsterland fällt und zu der im Frauenbereich diese zehn Mannschaften gehören sollen: Etwaige Absteiger aus der Landesliga, neben dem SC Falke Saerbeck die weiteren Bezirksligavereine des Kreises sowie Aufsteiger aus der Kreisliga. So weit, so klar. Oder auch nicht.
Zwischen Saerbeck und Greven verläuft die Grenze zwischen zwei Handballkreisen. Dort der Kreis Euregio-Münsterland, hier der Kreis Münster, zu dem auch der SC Greven 09 und die Handballfreunde zählen. Während die Landesligahandballerinnen des SC 09 von der Reform nicht direkt betroffen sind, verfolgen die Herrenhandballer die beschlossenen Veränderungen mit großem Interesse, erhöhen sich für die Handballfreunde doch die Chancen auf den angepeilten Aufstieg. Nicht etwa in die Kreisoberliga wie im benachbarten Kreis, sondern in die Bezirksliga, wie die neue Spielklasse auf Beschluss des Handballkreises Münster künftig heißen soll. Die für 14 Mannschaften vorgesehene Liga soll aufgefüllt werden mit zusätzlichen Aufsteigern aus der Kreisliga. Mit drei bis sechs Aufsteigern rechnet Andy Storkebaum: "Es ist nie einfacher gewesen in die Bezirksliga aufzusteigen", frohlockt der Geschäftsführer der Handballfreunde. Als Tabellendritter kann sich das Team von Rainer Nowack berechtigte Hoffnungen machen.
"Ich finde die Reform gelungen", meint Storkebaum deshalb wohl auch nicht ganz uneigennützig, abseits der kurzfristigen sportlichen Perspektive sieht er weitere positive Aspekte. "Ellenlange Fahrten entfallen", bezeichnet Storkebaum das kleinere Einzugsgebiet als Vorteil. Die andere Seite der Medaille beleuchtet Steltenkamp. "Die neue Liga wird mit Sicherheit schwächer", erwartet die Trainerin des SC Falke mit Blick auf zusätzliche Aufsteiger. "Ich hätte es gerne gesehen, wenn sich die beiden Handballkreise zusammengetan hätten", favorisiert sie vielmehr den alternativen Ansatz, der verworfen wurde. Welchen Namen die neue Liga erhält, ist für Steltenkamp dagegen weniger von Bedeutung. "Es bleibt ja die dritte Liga von unten."
Dennoch: Dass Begrifflichkeiten eine Rolle spielen, zeigt sich am Beispiel des Handballkreises Euregio-Münsterland. Während dort noch vor wenigen Wochen von der "Kreisoberliga Euregio-Münsterland" die Rede war, heißt es jetzt auf der Homepage des Kreises: "Es wird also je eine Bezirksliga Euregio-Münsterland für die Männer und die Frauen geben." Die Saerbeckerinnen werden wohl auch künftig in der Bezirksliga auf Torejagd gehen.
Die Reform ist auch eine Reaktion auf die rückläufigen Mannschaftszahlen im Handball. "Nach und nach sind untere Ligen gestrichen worden", berichtet Andy Storkebaum von der Entwicklung der vergangenen Jahre. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, organisatorische Ebenen zu straffen. Fest steht auch: Ob Kreisoberliga oder Bezirksliga im Kreis. Der vermehrte Aufstieg wird die Ligen am unteren Ende zusätzlich ausdünnen lassen. Fragt sich, wie lange die neue Liga noch die dritte von unten bleibt.
Von Sven Thiele
Zum Thema: Die Handballkreise
Der Handballkreis Euregio-Münsterland ist hervorgegangen aus dem Handballkreis Steinfurt und umfasst Teile der politischen Kreise Steinfurt, Borken und Coesfeld. In ihm wird der Spielbetrieb von 30 Vereinen und 2 Spielgemeinschaften organisiert. In der Saison 2015/2016 sind 90 Mannschaften im Erwachsenen- und 216 Mannschaften im Jugendbereich gemeldet.
Der Handballkreis Münster besteht aus 28 Vereinen aus Münster und dem südlichen Raum des Kreises Steinfurt, dem Kreis Warendorf und aus einem Teil des Kreises Coesfeld.
Kommentar: Nicht zu beneiden
Die Handball-EM ist eben erst zu Ende gegangen und wer immer heute über den Erfolg der "Bad Boys", wie sich das Team genannt hat, spricht, der tut das, als gäbe es im Deutschen Handball keine Probleme. Tatsächlich bietet der Liga-Alltag ein Kontrast-Programm zu dem, was Handball-Deutschland vor den Fernsehern verzückt hat. Das fängt in der Bundesliga an, wo dem HSV Hamburg wegen Insolvenz die Lizenz verweigert wurde, das setzt sich in der Basis fort, wo schwindende Mitgliederzahlen zu einer Ausdünnung der Ligen geführt hat. Der Handballverband Westfalen hat sich mit seiner Ligen-Strukturreform eine Herkules-Aufgabe aufgebürdet, um die er nicht zu beneiden ist. Noch kann niemand wirklich überblicken, was am Ende dabei herauskommt - auch die Funktionäre werden das noch nicht wissen. Die Vereine werden darauf vertrauen müssen, dass der Verband weiß, was er tut. Wie die Ligen künftig heißen? Geschenkt! Wichtig ist, dass sie die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Mannschaften widerspiegeln, damit das Leistungsgefälle keine Langeweile entstehen lässt. Und: Kein Verein darf sich zurückgesetzt fühlen. Dass einige Vereine nun vom Aufstieg qua Reform träumen ist legitim, aber so oder so - Qualität setzt sich am Ende durch.
Von Ulrich Schaper
Quelle: Westfälische Nachrichten