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Warum sich KSB-Vorstand Uli Fischer um den Kinder- und Jugendsport sorgt

„Dramatische Auswirkungen“

Uli Fischer sorgt sich um die Zukunft des Kinder- und Jugendsports. Wie der Vorstand des Kreisportbundes Steinfurt erklärt, seien die negativen Folgen des Lockdowns bereits jetzt spürbar.

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Kennt sich in der Vereinslandschaft des Kreises Steinfurt so gut wie kaum ein anderer aus: KSB-Vorstand Uli Fischer.
Kennt sich in der Vereinslandschaft des Kreises Steinfurt so gut wie kaum ein anderer aus: KSB-Vorstand Uli Fischer. Foto: KSB Steinfurt

Als langjähriger Vorstand des Kreissportbundes, der Dachorganisation von 309 Sportvereinen im Kreis Steinfurt, hat er einen guten Überblick über die Situation der Vereinslandschaft. Anders als noch beim ersten Lockdown im Frühjahr ist die Gelassenheit beim Uli Fischer der Sorge um die Zukunft gewichen. Warum, das erklärt er im Gespräch mit Sven Thiele.

Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr ist der komplette Sportbetrieb im Amateurbereich per Verordnung zum Erliegen gekommen. Wie bewerten Sie die Entscheidung?

Fischer: Dass der Sport so pauschal wieder eingestellt werden muss, mit dieser Entscheidung tue ich mich persönlich wie viele andere auch schwer. Insbesondere für den Kinder und Jugendsport sind die Folgen dramatisch. Das hätte man differenzierter betrachten müssen. In Mecklenburg-Vorpommern hat man zum Beispiel bewusst den Kinder- und Jugendsport erhalten.

Warum bereitet Ihnen die Situation im Kinder- und Jugendbereich solche Bauchschmerzen?

Fischer: In den vergangenen Tagen ist der 4. Deutsche Kinder- und Jugendsportbericht veröffentlicht worden und die Ergebnisse sind über den Ticker gegangen. In dem Bericht wird eine dramatische Entwicklung beschrieben, wonach 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen nicht die von der WHO geforderte notwendige Bewegungszeit von täglich 60 Minuten erreicht. Es gibt insbesondere bei Mädchen ein erhebliches Defizit.

Was bedeutet das konkret?

Fischer: Der Vereinsbetrieb lebt von seiner Kontinuität mit seinen festen Ritualen und Strukturen. Zum Kinder- und Jugendsport mit seinen Mannschaftssportarten, ob drinnen oder draußen, gibt es im Moment keine Alternative. Ein Erwachsener nutzt jetzt möglicherweise ein Online-Programm und macht Yoga, Workout oder etwas ähnliches. Kinder und Jugendliche zocken da eher, was sicherlich nicht im Sinne der Gesundheits-, Bewegungs- und Persönlichkeitsförderung ist.

Was sind die Folgen?

Fischer: Ich bin insgesamt sehr, sehr pessimistisch, auch, weil ich den letzten Tagen von ein paar Vereinen die Rückmeldung bekommen habe über rückläufige Tendenzen. Der Kinder- und Jugendsport war vor dem erneuten Lockdown noch nicht einmal wieder richtig angelaufen. Gerade der Kleinkinderbereich ist sehr rückläufig. Und auch im Mannschaftsbereich gab es eine große Verunsicherung, was sich auf die Teilnahme an den Angeboten auswirkt.

Von außen betrachtet schien es, als sei zuletzt ein Stück Normalität in den Vereinsalltag zurückkehrt.

Fischer: Nein, von Normalität waren wir weit entfernt. Es gab immer gewisse Einschränkungen, Warnungen und Hinweise auf Vorsichtsmaßnahmen. Das wirkt natürlich tief bis in die Familien hinein und sorgt für Verunsicherung mit der Folge, dass Eltern sagen, da gehe ich mit meinem Kind erstmal nicht hin, bevor ich mich hinterher noch anstecke.

Zu Beginn des ersten Lockdowns haben Sie berichtet, wie gelassen auf die Entscheidungen reagiert wurde. Wie sieht das Bild jetzt aus?

Fischer: Wenn eine Krise auftaucht, ist der Vereinssport relativ flexibel und kann eine Zeit lang eine Menge aushalten und irgendwann normalisiert sich das wieder. Aber jetzt hat sich noch nichts normalisiert und es kommt ein erneuter Lockdown. Ich glaube, dass das ganz fatale Auswirkungen haben wird.

Sie haben eingangs von einer differenzierten Betrachtung gesprochen. Die gibt es sehr wohl. Profisport ist gestattet, Amateursport nicht. Was halten Sie davon?

Fischer: Das ist natürlich ein Bild, das ich nicht gut finde. Letztendlich geht es aber hierbei nicht um das Thema Sport, sondern alleine um die wirtschaftliche Seite. Das Signal, das man damit setzt, ist schon bedenklich, zumal dieser Bereich mit so vielen Millionen gefördert wird.

Wenn Sie auf die vergangenen sechs Monate zurückblicken. Wo hat sich etwas im Vereinssport verändert?

Fischer: Angebote waren besonders erfolgreich, die sich auf die neue Situation eingestellt haben. Ein gelungenes Beispiel ist „Sport im Park“. Das war ein Riesenerfolg, weil es sozusagen zum richtigen Zeitpunkt das richtige Angebot war. Nämlich wieder gemeinsam und nur draußen Sport zu treiben, mit anderen Menschen zusammen zu sein und ein bisschen Luft zu schnappen. Und das alles mit Abstand. Alles, was bewusst draußen stattgefunden hat, hat gut funktioniert. Umgekehrt haben die Appelle zu einer großen Verunsicherung geführt, wieder in die Hallen hinein zu gehen zum Eltern-Kind-Turnen oder zum Kindersport.

Wo haben Vereine Chancen verpasst?

Fischer: Es gibt immer zwei Reaktionen, wenn man in eine Krise gerät. Entweder sagt man, ich bleibe ganz ruhig und warte bis es vorbei ist und bewege mich dann wieder oder ich schaue, was kann ich in einer Krise gestalten. Den zweiten Weg haben einige genutzt, viele auch nicht. Die haben die Haltung eingenommen, okay, es ist jetzt so, und ich warte ab, bis wir wieder unter normalen Bedingungen Sport treiben können. Doch die Frage, wie stellen wir uns auf, wird bleiben. Der Lockdown wird ja nicht Ende November vorbei sein, die Pandemie auch nicht. Stattdessen prognostizieren viele, dass wir uns mindestens ein Jahr bis zwei Jahre damit auseinandersetzen müssen. Auch in unserem täglichen Sportgeschäft. Von daher werden wir noch viele Diskussionen führen müssen.

Was meinen Sie, wie viel Lockdown verträgt der Sport noch?

Fischer: Ich spreche mal nur vom Kinder- und Jugendsport, der für mich ganz vorne steht. Wenn Kinder und Jugendliche nicht ihre Sportmöglichkeiten nutzen können, hat das irgendwann verheerende Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Das erzeugt Kosten und belastet unser Gesundheitssystem. Von daher blicke ich sorgenvoll in die Zukunft. Die ganze Dramatik wird noch mal deutlich mit Blick auf das Statement von DOSB-Präsident Alfons Hörmann, der eigentlich immer ganz ruhig und moderierend wirkt. Wenn man genau hinhört, merkt man, dass er die Situation sehr dramatisch einschätzt, vor allem mit Blick auf den Breitensport.

Zum Schluss: Wie sehen die Planung beim Kreissportbund in nächster Zeit aus?

Fischer: Wir werden sicherlich gucken müssen, wie bekommen wir unser ganzes Qualifizierungsangebot angepasst an die Pandemie-Situation. Was ist machbar und möglich. Das wird eine große Herausforderung sein. Wir sind im Moment dabei, ein entsprechendes Aus- und Fortbildungsprogramm v.a. mit digitalen Bausteinen zu stricken. Und das Zweite ist die Aufgabe, in der gesamten Gesellschaft mehr Bewegung, Spiel und Sport für Kinder und Jugendliche zu ermöglichen. Darauf werden wir unseren Schwerpunktsetzen.

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